Wie ist der aktuelle Stand? Das werden wir momentan oft und zu Recht gefragt. Hier einige Notizen dazu: Sicher können wir derzeit unsere Chance als sehr gut einstufen, dass der Markgrafenwald-Bergrücken zwischen Waldbrunn (Waldkatzenbach, Strümpfelbrunn, Mülben, Höllgrund), Eberbach (Gaimühle/Antonslust), Mudau (Reisenbach, Reisenbacher Grund) und Limbach-Wagenschwend nicht mit Windenenergieanlagen verbaut wird. Die Verhinderung wird unserer Einschätzung nach mit hoher Wahrscheinlichkeit endgültig gelingen. Voraussetzung ist und bleibt, dass – wie seit eineinhalb Jahren in allererster Linie und vorderster Front durch die Initiative Hoher Odenwald e.V. – weiterhin fachlich und rechtlich belastbarer und massiver Widerstand aus der Bevölkerung heraus geleistet wird, ergänzt durch kontinuierliche Rechtsanwaltsbegleitung.
Sie erinnern sich und haben hier nach und nach mitgelesen? Die IHO konnte durch eine Schwarzstorch- und Wespenbussard-Raumnutzungsanalyse, durchgeführt von einem der herausragenden Art-Experten Deutschlands (C. Rohde), belegen, dass im und unmittelbar um das Planungsgebiet bis zu sieben Wespenbussard-Paare und vier Schwarzstorch-Paare heimisch sind. Nach wie vor erscheint es als äußerst fragwürdig, warum alle diese EU-geschützten „Anhang-1-Arten“ in den avifaunistischen Gutachten, welche die Vorhabensträger zuvor selbst in Auftrag gegeben hatten, nicht dokumentiert wurden! Allein das ist und bleibt gänzlich inakzeptabel und wirft einen tiefen Schatten auf die Windkraftplanung im Vorhaben „Windpark Markgrafenwald“. Dass in dieser Planungsrealität erst engagierte Bürger mit gravierendem Zeit- und Kostenaufwand sowie fachlichem Hintergrundwissen solche Nachweise führen müssen, ist in unseren Augen skandalös. (Das Foto, hier stark verkleinert, wurde von Carsten Rohde am 7. Juli 2014 über dem Nordwestabschnitt des Markgrafenwald-Bergrückens aufgenommen und zeigt einen Schwarzstorch und einen Wespenbussard, die am Nachmittag einträchtig in der Thermik segeln. Es stammt aus dem Rohde-Gutachten der IHO und ist eines von vielen Belegfotos, die geographisch exakt zugeordnet werden können und sich zudem in exakte Funktionsraum-Kartierungen einfügen.)
De facto wären die ca. zwölf 200 Meter hohen Windenergieanlagen oder Teile davon sicherlich bereits errichtet worden, wenn es das Engagement der IHO nicht gegeben hätte. Wir rechnen damit, dass es von Seiten der Vorhabensträger und ihres lobbyistischen Kreises sowie von behördlichen Stellen weitere Vorstöße geben kann, eine Errichtung von WEA im betreffenden Gebiet doch noch herbeizuführen: Zum einen über CEF-Maßnahmen („continuous ecological function“) im Bereich der „Eingriffsregelung“, die unserer Ansicht nach in einem solchen Fall als politisch, wirtschaftlich oder ideologisch instrumentalisierend zu werten wären, aber artenschutzrechtlich und ethoökologisch (das artspezifische Verhalten der Tiere betreffend) als inakzeptabel erscheinen müssten. Es ginge dabei also um eine Art „Umquartierung“ von Schwarzstörchen und Wespenbussarden (und letzten Endes weiteren EU-geschützten Vögeln, denn auch Rotmilane, Baumfalken usw. nutzen diesen Lebensraum). Man beachte: Das Planungsgebiet befindet sich inmitten hervorragender Nahrungshabitate und wird während der Saison nachweislich tagtäglich mehrfach überflogen! Zum anderen würde man in diesem Falle natürlich ergänzend versuchen, Verharmlosungen der realen Kollisionsgefahr (beispielsweise auch bei dichten Hochnebellagen) oder der Scheuch- und Störwirkungen anzuführen, was einer Verniedlichung der EU-artenschutzrechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf Schwarzstorch und Wespenbussard gleichkäme. – Gegen derartige Entwicklungen müssen alle, die ein Aushebeln der Naturschutzes zugunsten einer Windkraft-Industrialisierung von Waldökosystemen und Top-Lebensräumen verhindern wollen, Sturm laufen!
Man muss sich bereit halten für eine Verbandsklage und auch auf der EU-Ebene ist gegenzusteuern, denn es geht hier um nichts Geringeres als um EU-geschützte Anhang-1-Arten der europäischen Vogelschutzrichtlinie, also um striktes EU-Artenschutzrecht, dem das ohnehin schon strenge Bundesnaturschutzgesetz untergeordnet ist. Es geht um Biodiversität und Verpflichtungen, die Deutschland als EU-Staat eingegangen ist. Demgegenüber werden Klima-Szenarien und mögliche Auswirkungen für die Artenvielfalt auf Modellbasis entwickelt, obwohl klimabedingte Lebensraumverluste für Mitteleuropa bislang nicht nachgewiesen sind bzw. sehr vorsichtig beurteilt werden müssen.
Eine Klimaschutz-relevante Wirkung von 12 WEA auf dem Markgrafenwald-Bergrücken wäre dagegen allenfalls marginal, ja, geradezu nutzlos. Ein Standort wie der Markgrafenwald ändert an der schlechten Bilanz der Windkraft für den Endenergieverbrauch nichts und steht in keinem Verhältnis zur EU-gestützten artenschutzrechtlichen Problematik: Bei aktuell 25.000 WEA werden derzeit von der Windkraft lediglich 2,1 % Anteil am deutschen Endenergieverbrauch erzielt (Quelle: Bundeswirtschaftsministerium, 2014). Bei 12 WEA im Markgrafenwald würde der Anteil der Windkraft am deutschen Endenergieverbrauch also gerade mal um einen Bereich von 0,001 % ansteigen. – Sollte dies tatsächlich ein Wert sein, durch den im EU-artenschutzrechtlichen Kontext ein „Ausnahmegrund“ für CEF-Maßnahmen zu rechtfertigen wäre? Diese Vorgehensweise wäre rechtlich wohl kaum belastbar oder gerichtssicher, zumal bereits jetzt maßgebliche Einschätzungen Art-spezifischer Experten deutlich dagegen sprechen.
Erfreulich ist, dass nach der von uns in Auftrag gegebenen Schwarzstorch- und Wespenbussard-Raumnutzungsanalyse bei dem deutschlandweit anerkannten Gutachter mittlerweile auch der Eberbacher NABU samt Regionalverband und folglich der Landesverband, damit einhergehend dann auch der NABU Waldbrunn, diese artenschutzrechtliche Position zu einem guten Teil mittragen; auch beim BUND begann hier ein Umdenken. Mehr soll im Rahmen der Verftraulichkeit an dieser Stelle nicht berichtet werden.
Noch einmal zu Windkraft und Endenergiebedarf (Strom- und Wärmeenergie): Bei so viel Naturverbrauch für so wenig Ertrag im Sinne von Klimawirksamkeit stellt sich – am Beispiel des Vorhabens Windpark Markgrafenwald – die Frage der Verhältnismäßigkeit. Zudem wird deutlich: Eine tatsächlich klimawirksame Energiewende muss anders aussehen; den Weg dorthin aber verbauen wir uns gerade sträflich mit einer Windkraft-überdimensionierten Fehlentwicklung. Die Umweltgeschichte lehrt uns auf der Grundlage etlicher ökologischer Desaster, dass wir die Folgen unseres Handelns abwägen müssen; diesem Postulat wird derzeit in der Energiepolitik Deutschlands nicht angemessen nachgekommen. Aktiviert wurde stattdessen eine für den Klimaschutz nahezu unwirksame Form einer „Windkraft-dominierten Stromwende“ mit ihren bedenklichen negativen Rückkopplungen für Biodiversität und Lebensraumerhaltung.
Weitere Faktoren, die unserer fachlichen Überzeugung nach gegen Windkraft-Industrialisierung in naturnahen Kulturlandschaften wie dem Wald-Bach-Komplex „Markgrafenwald“ sprechen, kommen verschärfend hinzu: Lärm und Infraschall mit Auswirkungen auf Gesundheit; Umverteilung von materiellen Werten zugunsten von „Windraderrichtern“ und zulasten der ländlichen Bevölkerung, einhergehend mit sozialen Konfliktfeldern; Degradierung der Lebensqualität und der Tourismuswirtschaft in der ländlichen Region mit deutlichem Abschwächen weicher Standortfaktoren; nicht kalkulierbares Waldbrand-Risiko durch sommerliche Brandereignisse an WEA usw.
Autor: Michael Hahl M.A., Geograph