Heute berichtet die Rhein-Neckar-Zeitung von der Beschlussfassung des Waldbrunner Gemeinderats, vgl. RNZ-Berichterstattung zur Sondersitzung des Gemeinderats. Die Beschreibung des Sitzungsverlaufs mit den Anträgen aus zwei Fraktionen ist gut auf den Punkt gebracht. Nachdem die RNZ-Redaktion einige tendenziöse Nadelstichlein, die es zuvor noch in zwei Online-Magazine geschafft haben, versachlicht hat (so war in der Vorlage zunächst von „jahrelanger Lobbyarbeit der Initiative Hoher Odenwald“ die Rede und Waldbrunn hätte angeblich „die Zeit zurück gedreht„), so liegt jetzt ein der Sachlage weitgehend angemessener RNZ-Bericht vor. Auf zwei wichtige Aspekte muss jedoch ergänzend eingegangen werden: einerseits die fachlich und rechtlich sehr wohl nachvollziehbaren Gründe, weshalb die Mehrheit der Gemeinderäte mittlerweile gegen ein Vorhaben „Windpark Markgrafenwald“ stimmt, anderenteils eine unausgewogene Darstellung der alten Mär‘ von der angeblichen „Verspargelung“.
Beschluss stärkt nachhaltige Entwicklung
In aller Deutlichkeit ist zu ergänzen, dass die Gemeinderäte mehrheitlich nicht etwa „die Zeit zurück gestellt“ haben, vielmehr war es ein kluger, verantwortungsbewusster und zukunftsweisender Beschluss, der ganz konkret auf der Grundlage erfolgte, dass seit dem ursprünglichen Einvernehmen des Gemeinderats im Jahr 2013 eine wesentlich andere Entscheidungsbasis eingetreten war: Im Jahr 2014 wurde die artenschutzrechtliche Brisanz des Vorhabens mit dem Nachweis von Schwarzstörchen und anderen geschützten Arten im Vorhabensgebiet bekannt (Gutachten Rohde 2014 i. A. der IHO). Eine Entscheidung für das Windpark-Vorhaben hätte einen Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie der EU billigend in Kauf nehmen müssen. Hier wäre auch von Seiten der Vorhabensträger bereits im Jahr 2014 eine Abkehr vom fragwürdigen Projekt zu erwarten gewesen, und so wurde es diesen gutachterlich auch nahe gelegt (Rohde, März 2014). Vermeintlicher „Klimaschutz“ durch Windenergie-Ausbau ist nun einmal kein Artenschutz, sofern hierdurch hervorragende Ökosysteme zerstört und zerschnitten werden! Anpassung an Klimaschwankungen erfordert ja gerade stabile Ökosysteme und intakte Lebensräume, letztlich nicht allein für unsere tierischen Mitgeschöpfe, sondern im Sinne von so genannten „Ökosystemleistungen“ selbstverständlich auch zu unseren eigenen Gunsten. Zudem sind Landschafts- und Naturschutz öffentliche Belange und dienen dem Gemeinwohl. Deren Bewahrung ist grundlegender Baustein einer zukunftsfähigen Entwicklung.
Artenschutzrecht und schlüssiger Flächennutzungsplan schützen vor „Verspargelung“
In der Berichterstattung heißt es dann noch, manche befürchten nach dem aktuellen Beschluss des Gemeinderats, „dass der „Verspargelung“ des Winterhauchs erst Tür und Tor geöffnet werde. Denn ohne Konzentrationszone könne es nun zumindest theoretisch überall auf Gemarkung Waldbrunn zum Bau von Windkraftanlagen kommen“. Dieser in den Raum gestellten „Befürchtung“, eher vielleicht eine „Furchterregung“, ist klar zu entgegnen, dass bei alternativen Flächenpotenzialen auf der Waldbrunner Gemarkung ebenfalls mit Verstößen gegen die Vogelschutzrichtlinie der EU sowie teils auch gegen die Natura-2000-Verträglichkeit (FFH-Gebiet Odenwald Eberbach) zu rechnen wäre, hinzu tritt der großflächige Status eines für die Region wichtigen Landschaftsschutzgebiets.
Des Weiteren ist anzumerken, dass eine Standort-Steuerung durch einen Flächennutzungsplan (FNP) faktisch sehr wohl möglich ist. Es muss allerdings darauf geachtet werden, dass das Konzept einer Auswahl und einer Rangfolge so genannter „weicher Kriterien“ schlüssig erarbeitet wird und eine einwandfreie Ermittlung, Bewertung und Abwägung zu erfolgen hat. Die bisherige Flächennutzungsplanung setzte in ihrer Hierarchie, also der Rangfolge weicher Kriterien, auf den Schutz der Landschaft, schloss folgerichtig die Landschaftsschutzgebiete im Gemeindeverwaltungsverband Neckargerach-Waldbrunn aus, ohne jedoch die erhebliche Beeinträchtigung des „Augstel“, der nordwestlichen Erweiterung des „Markgrafenwald“-Bergrückens (benachbarte Eberbacher Gemarkung) wiederum ins FNP-Konzept einzubeziehen. Auch die Top-Landschaftsbildbewertung (gemäß Dr.-Ing. Frank Roser) des Höllbach-Markgrafenwald-Reisenbach-Komplexes blieb darin konzeptionell unberücksichtigt.
„Markgrafenwald“ als Konzentrationszone entbehrt schlüssiges Flächennutzungsplan-Konzept
Hierzu mag es nun abweichende Ansichten geben; wir sehen in dieser bisherigen Herangehensweise deutliche Bewertungs- und Abwägungsdefizite, wodurch der ursprünglich entwickelte Flächennutzungsplan mit der Konzentrationszone „Markgrafenwald“ (und der nordwestlich benachbarten Fortführung „Augstel“) im Falle künftiger Bauanträge (nach § 35 BauGB) als steuerndes Instrumentarium nicht gerichtssicher belastbar gewesen wäre. Schließlich fehlte noch – aus unserer Sicht planerisch nicht nachvollziehbar – eine Berücksichtigung der 2014 nachgewiesenen Verstöße gegen die rechtlich hoch stehende Vogelschutzrichtlinie, die sich bei Errichtung von Windenergieanlagen mit höchster Wahrscheinlichkeit ergeben hätten. Vermeintlichen „Lösungen“ im Sinne von Ausgleichsmaßnahmen usw. wurde von kompetenter umweltjuristischer Seite (Stuttgarter „Gruppe für ökologische Gutachten“) eine „hohe Prognoseunsicherheit“ zugesprochen, also mit anderen Worten: äußerst unwahrscheinlich, dass solche Lösungsversuche über Einzelfallausnahmen oder CEF-Maßnahmen rechtlich belastbar funktionieren würden.
Somit hätte gerade eine Konzentrationszone „Markgrafenwald“ die übrige GVV-Gemarkung eben nicht vor einer immer wieder kommunizierten „Verspargelung“ bewahren können. Gegebenenfalls wäre nun spätestens im Falle eines künftigen Bauantrags ein neuer, allerdings konzeptionell rundum schlüssiger Flächennutzungsplan erforderlich, der dann tatsächlich Landschafts- und Artenschutz als vorrangig zu berücksichtigende weiche Kriterien definieren würde. In einem ländlichen Teilraum wie Waldbrunn, der – rund um den Katzenbuckel – auch im regionalen und landesweiten Kontext eine derart hochwertige Bedeutung für Biodiversität und Artenvielfalt sowie Landschaftsschutz und Landschaftsbild aufweist, muss auch die Windenergie angemessen eingeordnet werden und darf nicht über allem anderen stehen. Hierzu haben Kommunen nun einmal die Möglichkeit und auch eine Verantwortung, wenn nicht gar eine raumordnerische Pflicht, ihre „weichen Kriterien“ im Flächennutzungsplan angemessen zu werten und abzuwägen, um damit Windenergie-Standorte zu steuern. – Es trifft also eben nicht zu, dass jetzt auf dem Winterhauch „Tür und Tor geöffnet seien“ und künftig eine „Verspargelung“ zu erwarten wäre.
Die Beschlussfassung im Waldbrunner Gemeinderat am Montag, dem 18. April 2016, brachte eine relativ wenig erwartete Wendung mit sich, die sich gleichwohl Schritt für Schritt angebahnt hatte. Das Meinungsbild dazu geht natürlich auseinander. Wir von der IHO sprechen den Gemeinderäten unsere Hochachtung für einen zukunftsweisenden Beschluss zugunsten von Natur und Landschaft aus, der dem wahren „Kapital“ der Gemeinde Waldbrunn entspricht und der Windenergie vorrangige Kriterien angemessen bewertet, der zudem einem nachhaltigen Miteinander von Mensch und Mitwelt Tür und Tor öffnet und dadurch auch verträgliche und innovative Formen einer der Kommune spezifisch angepassten „Energiewende“ ermöglicht.
Wie geht’s weiter …
Nun muss sich nach und nach zeigen, ob es mit dem bereits eingeleiteten BImSch-Verfahren und der Umweltverträglichkeitsprüfung zum Vorhaben „Windpark Markgrafenwald“, dem auf kommunaler Ebene der Boden entzogen wurde, überhaupt weiter gehen kann oder nicht. Die Stellungnahmen zur zweiten Offenlage des Teilregionalplans Windenergie können – auch von Ihnen! – noch bis zum 9. Mai beim Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) eingereicht werden. – Wir werden über den Fortgang weiter berichten.
Autor: Michael Hahl M.A., Geograph