Auf der Homepage der Gemeinde Waldbrunn finden Sie seit 19.02. neue Informationen zur projektierten Windenergie-Industrieanlage im Markgrafenwald für die Gemeinderatsitzung am 24.02.2014. – Zunächst sei angemerkt: Wir halten eine Vor-Veröffentlichung lediglich knapp drei Werktage vor der Gemeinderatsitzung angesichts von 70 Seiten Dokumentation zum Planungsstand im Sinne einer bürgerschaftlichen Transparenz für deutlich zu spät. Auch eine Ankündigung im Amtsblatt fehlte.
Zudem fallen beim Durcharbeiten der Zwischenberichte in fachlicher Hinsicht durchaus problematische Darstellungen ins Auge, etwa in Bezug auf Arten- und Naturschutz, europäische Vogelschutz- und FFH-Richtlinie sowie Verbotstatbestände gegen § 44 BNatSchG u.ä. So wurde offenbar das von der IHO vorgelegte „Gegengutachten“ eines renommierten avifaunistischen Fachbüros, ÖKOTOP Büro für angewandte Landschaftsökologie, nicht annähernd in die Planungen aufgenommen, wie beispielsweise bei den nach wie vor unzureichenden artenschutzrechtlichen Aussagen zum Thema Rotmilan unschwer zu erkennen ist. Wenn es im Zwischenbericht des Büros Simon lautet, für die „… meisten windkraftempfindlichen Vogelarten (Rot- und Schwarzmilan, Graureiher, Uhu, Baumfalke) kann das Eintreten von Verbotstatbeständen ausgeschlossen werden …“ (Bericht, pdf S. 5), so entspricht dies keinesfalls der gutachterlichen Einschätzung des Büros Ökotop (U. u. K. Mammen); hier heißt es, es habe bisher nicht mal ansatzweise eine Raumnutzungsanalyse des Rotmilans stattgefunden, die den Kriterien der LUBW genüge. Zudem können ursprünglich weitgehend geschlossene Waldökosysteme gerade erst durch Rodungen zur Errichtung von Windkraftanlagen für die Raumnutzung des Rotmilans – der sein Revier zwischen Waldrand und Offenland anlegt – interessant werden, wodurch sich das Tötungsrisiko für die geschützte Art sogar noch signifikant erhöht, ein von Simon gänzlich unberücksichtigter Aspekt.
Selbst das Investoren-beauftragte Fledermausgutachten des Büros Trautner spricht – in Bezug auf Verbotstatbestände hinsichtlich Fledermausschutz, also Anhang-IV-Arten nach europäischer FFH-Richtlinie – zumindest für einige der projektierten WKA-Standorte eine andere Sprache, wie wiederum das Büro Ökotop hervorhebt. Büro Trautner empfiehlt (Gutachten, S. 41), „vorrangig zu prüfen, ob auf die geplanten Anlagen 4 und 5 verzichtet werden kann … oder ob sie an einen anderen, unkritischen Standort verlegt werden könnten“, weil [sich] für diese beiden Anlagen „aufgrund der hohen Zahl an „Abendsegler“-Registrierungen … die Frage [stellt], ob … mit einem Abschaltalgorithmus, der zudem einen wirtschaftlichen Betrieb nicht gefährdet, das Tötungsrisiko auf ein unerhebliches Maß reduziert werden kann“ – auch dies eine im Simon-Bericht unerwähnte naturschutzfachliche Standortproblematik.
Die bisherige Datenlage zum Schwarzstorch-Vorkommen erscheint in seiner artenschutzrechtlichen Brisanz im Zwischenbericht des Büros Simon viel zu sehr abgeschwächt; die ungenügende Methodik der bisherigen Vorgehensweise bleibt gleichermaßen unerwähnt wie die unzweifelhaften Beobachtungen der letzten Jahre, die zusammen mit den exzellenten Habitatbedingungen bereits deutlich – von Experten bestätigt – für Brut im betreffenden Gebiet sprechen. Die Aussage des Büros Simon, dass auch „nach einer zusätzlichen, umfangreichen Horstsuche … keine Fortpflanzungsstätte des Schwarzstorches gefunden werden“ konnte (Bericht, pdf S. 5), verschweigt, dass bisher nicht einmal alle in Frage kommenden Suchräume in die Geländegänge einbezogen wurden (wenn man das sog. Restriktionsgebiet berücksichtigt, wurde sogar weit weniger als die Hälfte des erforderlichen Geländes „abgesucht“) und dass ohnehin allenfalls stichprobenartige Horstsuchen aus Sicht ausgewiesener Schwarzstorch-Fachleute nicht annähernd den erforderlichen Methodenstandards entsprechen. Hier lautet der einzig akzeptable Weg, um artenschutzrechtliche Verbotstatbestände auszuschließen, eine Schwarzstorch-Raumnutzungsanalyse durch einen ausgewiesenen Experten durchführen zu lassen.
Auch fällt auf, dass ein neueres Gutachten den Behörden offenbar noch gar nicht vorliegt (vgl. Bericht Simon, pdf S. 6), der Kommune und den Gemeinderäten folglich offenbar auch nicht, obgleich doch zum jetzigen Zeitpunkt schon ein öffentlicher Zwischenbericht vorgebracht wird, über den im GR beschlossen werden soll, welcher aber mangels Kenntnis des zusätzlichen Gutachtens überhaupt nicht abschließend prüfbar wäre. Es heißt bei Simon lapidar: „Zwischenzeitlich wurde noch eine Ergänzung zu den Fachbeiträgen erarbeitet, die der Genehmigungsbehörde vorgelegt werden wird.“ – Auch das erscheint bedenklich und man muss sich sehr ernsthaft fragen: Warum wird eine fachliche Ergänzung sowohl Bürgern als auch der Kommune als auch den zuständigen Behörden bislang vorenthalten, obwohl ein Zwischenplanungsstand bereits öffentlich vorgestellt wird – und schlimmer: im Gemeinderat beschlossen werden soll?
Ein insofern lückenhafter und unausgewogener Zwischenbericht zum Planungsstand sollte – wie sich aus dem problematischen Berichtswesen jetzt schon ergibt – nicht einfach nur in einer Gemeinderatsitzung öffentlich präsentiert und dann sogar von Räten in Unkenntnis der vollen Sachlage „durchgewunken“, sondern vorab mit kritischen und sachkundigen Bürgern diskutiert werden, um fachliche Schwachpunkte bereits vor der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit und Beschlussfassung auszuräumen. Es ist zudem auch dieses Mal zu befürchten, dass die Einseitigkeit der Beiträge wiederum ungeprüft in die lokale und regionale Presselandschaft einfließen und somit die öffentliche Meinung auf unvollständigen und schon daher mangelhaften Grundlagen prägen werden.
Aufgrund dieser Vorgehensweise werden planerische Schwachpunkte zwangsläufig leider erneut auf die Ebene einer unabhängigen Fachaufsicht oder auf die Rechtsebene ausgelagert. Der Konflikt, der durch (im Auftrag der Investoren durchgeführten) zu unausgewogene Gutachten entsteht, wird mit sachkundigen, mündigen Bürgern nicht hinreichend ausgetragen, wodurch das anzustrebende Prinzip kommunaler Transparenz bei Planungen von Großprojekten (hier: Windenergie-industrielle Anlagen im Wald) wiederholt auf eine „belehrende Funktionalität“ reduziert wird, wie es bei den bisherigen öffentlichen Informationsveranstaltungen ebenso der Fall war. Es fehlt erneut ein Dialogforum, in dem die Bürgerstimmen und die Fachmeinungen aus der Bürgerschaft respektvoll einbezogen und sachlich ausgewogen diskutiert werden, anspruchsvoll und neutral moderiert, und zwar bei offenem Lösungsausgang.
Man kann hier nicht auf alle kritischen Punkte eingehen, die sich aus der Lektüre der auf der Waldbrunner Homepage vor drei Werktagen bereitgestellten Zwischenberichte ergeben; und dies wird schon gar nicht im Rahmen einer kurzen Bürgerfragestunde möglich sein, in der man gemäß Gemeindeordnung nicht einmal Aussagen treffen darf, sondern wie ein Fünftklässler Fragen – an den Bürgermeister – formulieren muss, als wäre die bürgerschaftliche Meinung – und hiermit eine fachlich fundierte Gegenposition – auf simple Fragestellungen angesichts der quasi an einer Art (Be-)Lehrerpult sich einreihenden „Fachleute“ reduzierbar. Den Bürger mitnehmen, wie unter dem neuen Image-gepflegten kommunalpolitischen Aushängeschild der „Transparenz“ immer wieder gerne verlautet, sieht anders aus!
Die Gemeinderatsitzung findet am Montag, 24.02., ab 20 Uhr im Rathaus Waldbrunn-Strümpfelbrunn statt, mit einem TOP zur Windparkplanung und Bürgerfragestunde zu Beginn der Sitzung.
Autor: Michael Hahl M.A., Geograph